Die Städte wachsen, folgerichtig musste die umliegende Natur bis anhin weichen. Ein Zustand, den wir auf der ganzen Erde vorfinden, bis jetzt meistens mit wenig Spielraum für die Natur. Wenn der Mensch baut, vor allem wenn er in die Höhe baut, dann hat die Natur so gut wie immer das Nachsehen. Die Insekten-Vielfalt nimmt in solchen Fällen dramatisch ab, mit einschneidenden Folgen für viele Tierarten. Aber auch für uns Menschen scheinen Städte oft nicht mehr aufbauend zu sein, und das weder für unsere körperliche, noch für die psychische Gesundheit. Die alten, gewachsenen Dorf- und Stadtkerne, mit ihren kleinen verwinkelten Gässchen einmal ausgenommen, scheinen die Neubau-Stadtteile meistens nicht so anziehend auf uns zu wirken. Wenn wir von malerischen Stadtvierteln reden, in denen wir uns in kleinen Pubs und Szene-Kneipen treffen, dann meinen wir fast immer die Altstädte, selten bis nie die Glas/Beton/Stahl Kuben mit ihren strengen, rechtwinkligen Strukturen.

Vielleicht sollten wir an dieser Stelle einmal kurz innehalten und uns fragen:
Wie soll die Entwicklung in unseren Städten nun weiter gehen? Wie wollen wir in Zukunft leben, wie wohnen, wo sollen unsere Kinder aufwachsen. Und eine weiter Frage darf auch lauten: Was soll mit der Natur, den Tieren, den Pflanzen, der Artenvielfalt im Allgemeinen werden?

Viele werden nun einwenden, dass in der heutigen Zeit kein Platz mehr für solche rührseligen Überlegungen ist, denn erstens zählt nur die Rendite, also das Geld und zweitens haben wir keine Zeit mehr, denn auch Zeit ist ja angeblich wiederum nur Geld. Und Geld hat irgendwie niemand, jedenfalls sagen das alle, sogar die Banken haben in der heutigen Zeit kein Geld mehr, eine echt spezielle Zeit also?

Und trotz dem!

Wir sollten eine Möglichkeit finden, nachhaltig, für den Menschen und die Natur zu bauen, dies aber auch in den verdichteten Bereichen der Städte. Also innerhalb den städtischen Gebieten, in denen aus Platzmangel in die Höhe gebaut wird.

Genau hier kommt nun die Grüne-Architektur, im speziellen die Vertikale-Begrünung ins Spiel. Auch in Verbindung mit Urban-Gardening, in Synergie mit dem Ansatz der Permakultur könnten hier völlig neue Wege innerhalb der Stadtentwicklung möglich werden. Erste Erfahrungen werden zur Zeit u.a. in Europa, im speziellen in Italien und der Schweiz gemacht. Der italienische Architekt Stefano Boeri ist hier nicht nur als Visionär, sondern auch als derjenige zu erwähnen, der seine grünen Ideen zu realisieren vermag. Was ja, wie oben schon erwähnt, in der heutigen Zeit nicht immer ganz einfach zu sein scheint. Genau aus diesem Grund sollten wir hier nun hellhörig werden. Es ist demnach möglich, auch neue Ansätze wie die Vertikale Begrünung zu finanzieren. Dies wohl nicht grundlos, zeichnet sich doch bei seinen Projekten ein Gewinn für alle Seiten ab. Schauen wir auf zwei erste Projekten von Stefano Boeri, sie tragen den Namen „Bosco Verticale“, was übersetzt nichts anderes heisst als – Vertikaler Wald, verortet in Mailand und Lausanne. Und genau das scheint es auch zu sein, ein aufstrebender Wald, direkt in der Stadt.


Bild: Bosco Verticale in Mailand des Architekten Steffano Boeri: Fotografie von Thomas Ledl, CC-BY-SA 4.0, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=9750825

Die Vorteile werden schnell klar:

  • Pflanzen filtern giftigen Feinstaub aus der Atemluft.
  • Pflanzen geben am Tag Sauerstoff ab.
  • Pflanzen erzeugen ein angenehmes Mikroklima, im Sommer mildern sie die Hitze, im Winter verhindern sie ein zu schnelles Abkühlen.
  • Pflanzen geben sekundäre Pflanzenstoffe und ätherische Öle ab, neueste Erkenntnisse deuten klar darauf hin, dass diese Stoffe das Immunsystem des Menschen stärken, Stresshormone reduzieren und z.B. positiv auf den Blutdruck einwirken können. Gewisse Baumarten geben die sogenannten Terpenen ab, einige Forscher sehen darin sogar ein wichtiges Antikrebs-Arzneimittel der Zukunft.
  • Pflanzen helfen das Klima im Gebäude zu regulieren.
  • Pflanzen reduzieren den ungehemmten Wasserabfluss in die Kanalisation und mildern damit die Überschwemmungsgefahr der Flüsse ab.
  • Mit der Bepflanzung von Gebäuden werden neue Lebens- und Nahrungsräume für Insekten und Vögel geschaffen. Vertikal begrünte Gebäude können auch als sogenannte „Trittsteinbiotope“ zwischen den verschiedensten Grünflächen, innerhalb einer Stadt angesehen werden und dies nicht nur für unsere Bienen. Die Bio-Diversität und Artenvielfalt wird dadurch stark gefördert.

Mit anderen Worten, holen wir den Wald zurück in unsere Städte, holen wir uns auch viele Vorteile in unsere direkte urbane Umgebung.

Durch die Variation der Gebäude-Formen, unterstützt durch eine leicht geschwungene, terrassierte Linienführung, würde sich ein Mensch wohl eher in der Nähe von bewaldeten Hügeln wähnen, als direkt vor einer Stadt.

Bild: “Forest City” – China’s first vertical forest is rising in Nanjing – Stefano Boeri – Quelle: http://inhabitat.com/china-breaks-ground-on-first-forest-city-that-fights-air-pollution/


Bild: Vertical forest Mountain Hotel, Südwesten China – Stefano Boeri – Quelle: http://inhabitat.com/vertical-forest-mountain-hotel-will-clean-the-air-in-guizhou-china/

Sicher stehen wir erst ganz am Anfang dieses neuen Ansatzes. Wir werden Erfahrungen machen und daraus lernen. Die Vorstellung einmal aus der Entfernung eine Stadt anzuschauen, die mehr einem Wald ähnelt als einer Betonwüste, ist jedenfalls eine Vision, die wie ich hoffe, nicht nur auf mich verlockend wirkt.

Uwe Breuer

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2 Kommentare
  1. Manfred Glück
    Manfred Glück sagte:

    Ich unterrichte Deutsch als Fremdsprache für ausländische Mitarbeiter und Doktoranden am Fraunhofer Institut für Bauphysik in Holzkirchen/Oberlaindern. Einige meiner Kursteilnehmer arbeiten an den Themen “Stadtklima”, “Grünes Bauen”, und auch an “Fassadengestaltung und deren Einfluss auf den Energieverbrauch”.
    Ich habe einen Teil Ihrer Texte und Abbildungen kopiert, um sie in meinem Unterricht für die Teilnehmer mit fortgeschrittenen Deutschkenntnissen zu verwenden – selbstverständlich mit Hinweis auf die Quelle.
    Mit großem Interesse sehe ich weiteren Texten entgegen.
    Mit bestem Dank und besten Grüßen
    Manfred Glück

    Antworten
  2. Urs Maurer
    Urs Maurer sagte:

    Von einem “Wald in der Stadt” an Fassaden und auf Balkonen wird man nicht wirklich sprechen können. Ein Wald ist ein hochkomplexes Ökosystem, zu welchem ganze Pflanzen- und Tiergemeinschaften und -gesellschaften gehören. Diese beiden idyllischen Bilder mit viel Natur- und Kulturlandschaft in unmittelbarer Nähe bilden nicht ab, was in den heute rasant entstehenden Megacities Realität ist. Damit will ich nicht sagen, dass mehr Grün in der Stadt und Urban Farming nicht wichtige Elemente zur Vermenschlichung bestehender Städte sind.

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